Impulsvortrag beim 8. N Klub Frankfurt am 09.11.2016 – veröffentlicht im Journal Frankfurt

Nachhaltige Stadtentwicklung

Die Antwort liegt im ländlichen Raum

Wo und wie kann man in dieser rasant wachsenden Stadt, die allein in den letzten zehn Jahren rund 100.000 neue Einwohner gewonnen hat, neue Wohngebiete entwickeln, ohne dadurch die klimatischen Belastungen weiter zu erhöhen? Wir müssen also die Frage beantworten, wo noch Stadtentwicklung vertretbar ist und wie diese aussehen sollte.

Weil aber auch die besten Planer und sonstigen Fachleute den Freiraum, die noch vorhandenen Flächen nicht vergrößern können, erscheint diese Aufgabe auf den ersten Blick kaum lösbar. Denn schließlich beanspruchen neue Wohngebiete am Rande der Stadt, und somit im Freiraum, üblicherweise immer Frei- oder Grünflächen, die auf irgendeine Art und Weise einen Beitrag für das Stadtklima leisten. Aber auch Nachverdichtungen im Bestand gehen häufig zu Lasten bestehender innerstädtischer Frei- oder Grünflächen. Eine dichtere Stadt bedeutet zugleich auch weniger Durchlässigkeit für Kalt- und Frischluftströmungen, deren Erhalt immer wichtiger wird.

Doch nicht jede Freifläche, nicht jede Grünfläche leistet einen relevanten Beitrag zum städtischen Klima- und Wasserhaushalt. Ebenso ist nicht jeder Bereich klimatisch vorbelastet und somit von den Auswirkungen des Klimawandels besonders betroffen. Um die Freiflächen zu finden, die auch noch unter den Bedingungen des Klimawandels „Zuwachspotential“ besitzen oder um die Quartiere zu identifizieren, die heute bereits erheblichen Belastungen unterliegen und deshalb keinen weiteren Einschränkungen ausgesetzt sein sollten, bedarf es daher einer genauen Kenntnis des städtischen Klima- und Wasserhaushalts. Wir müssen uns aber auch die Frage stellen, wie können wir mehr Grün in die gebaute Stadt bringen, wo können wir auch mal wieder Flächen entsiegeln?

Eine Möglichkeit ist der Rückbau einer überdimensionierten Verkehrsinfrastruktur. Teilrückbau der Rosa-Luxemburg-Straße, Aufhebung der Trennungswirkung der Berliner Straße, Einhausung der Autobahn A661. Das sind Potentiale die uns gegen die Auswirkung des Klimawandels tatsächlich weiterhelfen können.

Umgekehrt muss man auch eine völlig andere Frage stellen: Was passiert, wenn wir angesichts des Bevölkerungszuzugs nichts in Frankfurt tun würden? Der Wohnungsbau findet dann nicht in Frankfurt, sondern noch stärker in der Region statt. Dort werden dann Flächen in größerem Umfang versiegelt, dort findet dann eine weitere Zersiedlung statt, dort werden in höherem Maße landwirtschaftlich genutzte Flächen wegfallen.

Sehen wir uns auch hier die Zahlen an: Jeder Bundesbürger beansprucht im Durchschnitt 600 Quadratmeter Boden für Siedlungs- und Verkehrsflächen, sprich für Häuser und Straßen. Dies ist aber sehr ungleich verteilt: Das Umweltbundesamt hat berechnet, dass Menschen, die in den Innenstädten leben, nur etwa 100 bis 200 Quadratmeter benötigen, denn sie wohnen meist in mehrstöckigen Häusern, außerdem sind die Straßen und Wege in der Stadt gut ausgelastet.
Anders auf dem Land: Wer im Grünen wohnt, beansprucht fast 1.200 Quadratmeter Fläche pro Kopf – also das Vielfache eines Stadtbürgers. Denn auf dem Land entstehen überwiegend Einfamilienhäuser und es müssen im Auto lange Strecken zur Arbeit oder zum Einkaufen zurückgelegt werden; auf Straßen, die – im Vergleich zur Stadt – wenig ausgelastet sind.

Bei einer weiteren Zersiedlung wird auch der Verkehr zunehmen. Schon jetzt haben wir in Frankfurt täglich über 350.000 Einpendler von denen schätzungsweise 75 Prozent das Auto benutzen. Diese Zahl wird steigen, mit all den damit verbundenen Folgen: Lärm, Abgase, Unfälle. Insgesamt scheint die weitere Zersiedlung unter Berücksichtigung von Umwelt- und Klimaschutz die wesentlich schlechtere Variante.

Klar ist, dass eine ökologische Bilanz nicht unter alleiniger Betrachtung eines Stadtteils, nicht einmal unter alleiniger Betrachtung der Stadt Frankfurt gezogen werden kann. Was wir an ökologischen Eingriffen im Stadtgebiet abwehren, führt in der Region an anderer Stelle sogar zu größeren Schäden. Frischluftzufuhr, Trinkwasserversorgung, Flächenversiegelung und Artenschutz kennen keine Stadtgrenzen.

Umgekehrt sind die Ballungsräume und Großstädte aber auch die Orte, an denen sich die Energiewende und die Verkehrswende entscheiden: durch innovatives Bauen, intelligente Energieversorgung, geringen Flächenverbrauch und eine Planung, die mehr öffentlichen Personennahverkehr und weniger motorisierten Individualverkehr unterstützt. Die kompakte Stadt, die dichte Stadt ist auch die Stadt der kurzen Wege, in der die Menschen eher auf das Auto verzichten können. Die Urbanisierung ist also auch eine Chance beim Kampf gegen den Klimawandel.

Außer Frage steht aber auch, dass wir langfristig die Herausforderungen der Zukunft nicht allein in den Städten lösen können. Weder die kompakte Stadt, noch die dezentrale Stadtregion sind die alleinige Antwort, sondern müssen gemeinsam gedacht und entwickelt werden. Am Ende liegt die Lösung für eine nachhaltige Stadtentwicklung erstaunlicherweise im ländlichen Raum. Uns muss es gelingen Kleinstädte und Dörfer attraktiv zu halten. Dort braucht es eine gute verkehrliche Anbindung, eine tragfähige soziale – Stichwort Kinderbetreuung – und besonders auch eine digitale Infrastruktur. Dann wird der Druck auf den Metropolregionen abnehmen und wir werden ein ressourcenschonendes Zusammenleben besser organisieren können.